Heiner Salomon
Heiner Salomon
Heiner promoviert in Teilprojekt A02 und wird dort vor allem an einer Fallstudie zu Sozialversicherungen in Bangladesch arbeiten. Zuvor hat er in London am ODI zu Armut und sozialer Sicherung geforscht.

Du hast nicht den klassischen Weg eingeschlagen, die Doktorarbeit direkt an das Studium anzuschließen, sondern du hast viele Jahre in der „Praxis“ gearbeitet. Was waren da deine Stationen?

Ich hatte schon immer mit dem Gedanken gespielt, irgendwann meinen Doktor zu machen. Meine Professoren hatten mir aber empfohlen, erst einmal Arbeitserfahrung zu sammeln. Das habe ich dann gemacht. Angefangen habe ich bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit einem Praktikum, dann habe ich als Gutachter für die GIZ und das ODI in London gearbeitet. Anschließend habe ich das Trainee-Programm der GIZ durchlaufen. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, die Arbeit der GIZ im Ausland zu erleben: Ich hatte eine Stelle in Bangladesch, bei der es darum ging, bei dem Aufbau einer betrieblichen Krankenversicherung im Textilsektor zu helfen. Anschließend war ich drei Monate bei der Weltbank und drei Monate beim BMZ in Berlin. Danach bin ich zurück nach Bangladesch, wo ich einige Zeit als Gutachter gearbeitet habe. Bei Development Pathways in London habe ich dann im Bereich der globalen sozialen Sicherung eine feste Stelle bekommen. Ich habe dort vor allem quantitative Analysen zur universellen Grundsicherung in Ländern des Globalen Südens erstellt. Zuletzt war ich wissenschaftlicher Mitarbeiter am ODI. Dort habe ich an den Themen Armut und soziale Sicherung geforscht.

Hattest du am ODI einen regionalen Fokus, wie damals bei der GIZ mit Südasien?

Nein, die Projekte waren über die gesamte Welt verteilt. Ich wollte aber sehr gern wieder zu Südasien arbeiten. Deshalb war die die Stelle im SFB auch so reizvoll, da es in meinem Teilbereich einen Fokus auf Bangladesch gibt. Ich halte es für sinnvoll, sich ein besseres Verständnis von einem Land und einer Region zu erarbeiten, wenn man im globalen Kontext arbeitet. Für regionale und politisch relevante Expertise ist es wichtig, den gesellschaftlichen Kontext, politische Strukturen sowie wichtige geschichtliche Ereignisse gut zu kennen. Das ist besonders wichtig in der Sozialpolitik: Alles, was mit Sozialpolitik zu tun hat, ist hochpolitisch, denn es geht um Verteilungsfragen und große Summen. Daher scheint mir ein gewisses Verständnis der lokalen politischen Verhältnisse umso wichtiger zu sein.

Warum bist gerade jetzt den Schritt zurück an die Universität gegangen?

Am ODI konnte ich testen, ob mir das wissenschaftliche Arbeiten gefällt – was der Fall war. Zum anderen hat die Pandemie sicher ihren Anteil an der Entscheidung: Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken und in der Homeoffice-Phase habe ich gemerkt, dass es mir weniger schwer fällt, als ich gedacht hatte, lange Zeit alleine an einem Projekt zu arbeite. Und da die Doktorarbeit schon länger eine Option war, war der Punkt erreicht: Entweder jetzt, oder ich mache es gar nicht mehr.

Warum hast du dich für Bremen entschieden?

Ich wollte an einem Institut promovieren, wo viele andere an ähnlichen Fragen arbeiten, weil ich den Austausch suche, das macht die Forschung spannender und motivierender. Und das findet man in meinem Bereich an nicht vielen Orten. In Bremen sind die Bedingungen für PhD-Student:innen in einer Stelle wie meiner aber vergleichsweise sehr gut. Dazu kommt die BIGSSS, die für eine gewisse Struktur und den institutionellen Austausch zwischen den Doktorand:innen sorgt und an der man Kurse belegen kann. Vor allem aber verbindet meine Stelle (fast) alles, was mich am meisten interessiert – Mikroökonomie, soziale Sicherung, Bangladesch. Das ist wirklich eine tolle Kombination.

Teilprojekt A02 untersucht drei Sozialpolitikfelder und macht zudem noch eine Fallstudie. Wo wird dein Arbeitsschwerpunkt liegen?

Noch ist die Aufgabenverteilung nicht in Stein gemeißelt, aber es sieht so aus, dass ich die Fallstudie in Bangladesch vorbereiten und durchführen werde. Gemeinsam mit den Kolleg:innen in Bangladesch werden wir zunächst die Intervention vorzubereiten: Wie genau soll sie aussehen und wie können wir deren Auswirkungen messen? Ich werde die Datenerhebung vorbereiten, durchführen und die Daten anschließend zusammen mit dem Team auswerten.

Was noch dazu kommt, werden wir sehen. Arbeitsunfallversicherung ist ein weiteres Thema des Projekts, zu dem ich in Bangladesch auch schon gearbeitet habe.  Als ich vor Ort war, war das eine neue Diskussion unter den internationalen Partnern. Unter anderem hatte die GIZ in Bangladesch ein Projekt dazu aufgesetzt.

War das im Zuge des großen Unfalls in der Textilfabrik in Rana Plaza 2013?

Genau. Arbeitsunfallversicherungen sind in vielen Ländern die ersten Sozialschutzprogramme, die eingeführt wurden. Sie sind recht einfach umzusetzen und auch im Interesse der Arbeitgeber:innen. Zudem muss der Staat gar nicht viel investieren. Das macht sie in vielen Fällen zum Prototyp der Sozialschutzprogramme. Arbeitsunfallversicherungen dienen dann als Vehikel, um darauf weitere Programme aufzubauen. Daher ist das auch ein sehr spannendes Thema.

Hast du schon ein Thema für deine Doktorarbeit im Kopf?

Ja, aber ich muss es noch etwas anpassen, um es in die Projektarbeit zu integrieren. Die Grundidee ist folgende: Wie hängen die Präferenzen der Bevölkerung im Globalen Süden mit der Neueinführung von sozialpolitischen Programmen zusammen? Auf internationaler Ebene wird viel darüber diskutiert, wieviel Targeting im Bereich Sozialpolitik stattfinden soll, wie universell Programme sein sollen. Meist sind die Diskussionen sehr theoretisch. Was dabei – aus meiner Sicht – zu wenig beachtet wird, sind die Präferenzen der Menschen in den Ländern, in denen die Programme eingeführt wurden oder eingeführt werden sollen. Nutzen möchte ich dazu die World Value Survey, die zwei Fragen zu Umverteilung beinhaltet.

Gehst du nach dem Abschluss deiner Doktorarbeit zurück in die Praxis oder bleibst du in der Wissenschaft?

Das weiß ich heute noch nicht. In die Praxis gehen - im Sinne von „Policy Making“ in einem Ministerium oder in der GIZ - vermutlich eher nicht. Aber mir ist die Organisation sowieso nicht so wichtig. Ich würde mich lieber als Bindeglied zwischen Politik und Wissenschaft sehen, da ich an beiden Bereichen sehr interessiert bin und es zwischen beiden Feldern oft Reibungsverluste gibt. Es fehlt an Leuten, die die Wissenschaft zur Politik zu bringen und umgekehrt. Ob ich diese Rolle in der Wissenschaft übernehme oder in der Politik, das wird sich zeigen.