
Julian Götsch, Doktorand im Projekt A04 "Globale Entwicklungen in Gesundheitssystemen" des SFB 1342, verbrachte vier Wochen in Nairobi, um das koloniale Erbe in der Gesundheitspolitik in Kenia und Nigeria zu untersuchen. Während sich die meisten wissenschaftlichen Arbeiten zur Gesundheitspolitik entweder auf die Zeiträume während des Kolonialismus oder nach der Unabhängigkeit konzentrieren, versucht dieser Ansatz, eine Brücke zwischen beiden Epochen zu schlagen und den langfristigen Einfluss des Kolonialismus auf die Gesundheitspolitik zu untersuchen. Neben anderen Methoden wird Process Tracing eingesetzt, um historische Entwicklungen im Detail nachzuvollziehen und die kausalen Mechanismen aufzudecken, die dem kolonialen Erbe zugrunde liegen. Dieser Ansatz stützt sich auf eine umfangreiche Sammlung historischer Daten und die Triangulation verschiedener Quellen.
Zur Unterstützung dieser Arbeit reiste Julian Götsch von Ende April bis Ende Mai 2025 nach Nairobi, um Archivrecherchen und Experteninterviews durchzuführen. Als besonders wertvoll erwies sich das kenianische Nationalarchiv im Central Business District von Nairobi. Das Archiv verfügt über rund 600 Millionen Dokumente, die die Geschichte Kenias von der frühen Kolonialzeit bis zur Gegenwart abdecken. Mit der Unterstützung der Mitarbeiter:innen des Archivs konnte Julian Götsch auf Materialien zugreifen, die detaillierte Einblicke in die Entwicklung der Gesundheitspolitik während und nach der Kolonialzeit gewährten. Politische Papiere, Korrespondenz, Berichte, Sitzungsprotokolle und andere Dokumente enthüllten Muster von Kontinuität und Wandel in der Gesundheitspolitik um die Zeit der Unabhängigkeit. Diese Unterlagen trugen auch dazu bei, die ursächlichen Mechanismen hinter den durch die Kolonialpolitik geschaffenen Pfadabhängigkeiten sowie den anhaltenden Einfluss der Kolonialbeamten in den ersten Jahren der Unabhängigkeit zu ermitteln.
Die aus den kenianischen Nationalarchiven gewonnenen Erkenntnisse wurden durch Interviews mit zwei Expert:innen für Gesundheitspolitik in Kenia bereichert: Dr. Anne Wamau, Research Fellow am Institute of Development Studies der Universität Nairobi, und Prof. Joseph Wangombe, emeritierter Professor am Department of Public and Global Health der Universität Nairobi. Diese Interviews lieferten wertvolle Perspektiven zu historischen politischen Entwicklungen, sprachen aber auch ethische Bedenken hinsichtlich der Extraktion von Wissen und Daten durch Forscher aus dem globalen Norden an. Zudem wurden mögliche Wege für eine künftige Zusammenarbeit erörtert.
Kontakt:
Julian Götsch
SFB 1342: Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik
Mary-Somerville-Straße 5
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Tel.: +49 421 218-58540
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