Teilprojekt B07 (2018-2021)
Transnationale Dienstleistungserbringung in der Langzeitpflege zwischen West- und Osteuropa
Pflegesicherungssysteme sind eine der jüngsten Sozialpolitikexpansionen in westlichen Wohlfahrtsstaaten. Sie sollen die Langzeitpflege (LZP) als eine kostenintensive, personenbezogene soziale Dienstleistung sicherstellen und sind durch vorwiegend weibliche Arbeitskräftemigration transnational verflochten. Dabei unterscheiden sich westliche Wohlfahrtsstaaten darin, inwieweit ihre Pflegepolitiken und die durch sie geschaffenen Pflegesysteme formelle, informelle bzw. familiale Pflege unterstützen und auf - überwiegend weibliche - einheimische und/oder migrantische Arbeitskräfte zurückgreifen. Migration von Pflegekräften wiederum erzeugt für die Herkunftsländer neben finanziellen Rückflüssen auch familiale Versorgungslücken und einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ("care drain") und damit neue sozialpolitische Herausforderungen, denen u.a. durch Folgemigration aus anderen Ländern begegnet wird, was zu ganzen Pflegeketten ("care chains") führen kann. Sozialpolitisch wichtige Verflechtungen durch Migration zeigen sich in Europa vor allem als europäische Ost-West-Binnenmigration, in Südostasien in regionaler Migration wie auch auf globaler Ebene in Süd-Nord-Migration.
In Teilprojekt B07 soll die Einführung und Expansion der Sicherungssysteme bei Langzeitpflege (LZP-Systeme) in Bezug auf die Dienstleistungserbringung in ausgewählten Ländern beschrieben und unter Beachtung der nationalen Konstellation wie der transnationalen Verflechtungen durch Migration erklärt werden. Wir gehen dabei in zweifacher Hinsicht über die bisherige Forschung hinaus: Zur Erklärung länderspezifischer Ausprägungen nationaler Pflegepolitiken und des für sie charakteristischen "Pflegemixes" berücksichtigen wir, erstens, bei der nationalen Konstellation insbesondere auch die Zusammenhänge von Pflege- mit Familien-, Arbeitsmarkt- und (Aus-)Bildungspolitik und prüfen, inwieweit die Ausrichtung der Pflegepolitik die Verfügbarkeit von Arbeitskräften für Pflegetätigkeiten voraussetzt und gewährleistet. Darüber hinaus soll, zweitens, bei der Analyse der transnationalen Arbeitsmigration in der Pflege nicht nur die Situation im Zielland, sondern auch in den Herkunftsländern untersucht werden: So können wir die "pull"- und "push"-Faktoren der Migration ermitteln und den "care drain" auch als "brain drain" mit seinen sozialpolitischen Auswirkungen in den Herkunftsländern erfassen.
In der ersten Phase werden transnationale Verflechtungen in Europa untersucht. Die Fallauswahl umfasst mit Deutschland, Italien, Polen und Schweden vier Zielländer mit sehr unterschiedlichen Pflegesystemen und Geschlechterarrangements und erfasst mit Polen, Rumänien und der Ukraine drei osteuropäische Herkunftsländer, die in unterschiedlichem Maß in die EU eingebunden sind und in denen die Pflegemigration sich ganz unterschiedlich auf die Entstehung weiterer Ost-Ost-Migration auswirkt.